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Mitteilung vom 15. Juli 2009Regelungen zur Schuldenbremse, Haushaltsstrukturmaßnahmen, Personalabbau und Nachtragshaushalt auf den Weg gebracht
Voraussichtlicher Einbruch bei Steuereinnahmen: Finanzminister Rainer Wiegard verschärft Konsolidierungskurs
Mehr als vier Milliarden Euro wird Schleswig-Holstein in den nächsten vier Jahren weniger Steuereinnahmen erhalten als bisher geplant. Und erst im Jahr 2013 werden die Einnahmen voraussichtlich wieder das Niveau des Jahres 2008 erreichen. Grund genug für Finanzminister Rainer Wiegard, den bisherigen Konsolidierungskurs deutlich zu verschärfen.
Dem Kabinett legte er in dieser Woche landesspezifische Regelungen für die Umsetzung einer Schuldenbremse und den Abbau von knapp 4.800 Stellen bis 2020 vor. Darüber hinaus legte Wiegard einen Maßnahmenkatalog für notwendige strukturelle Kürzungen konsumtiver Ausgaben und den Entwurf für einen weiteren Nachtragshaushalt für die Jahre 2009 und 2010 vor. Nach den
Beratungen der Koalition hat die Landesregierung dieses Paket am 22. Juni beschlossen.
Schwierige Haushaltssituation nach erster Konsolidierung
Von 2005 bis 2008 hatte Wiegard das Haushaltsdefizit und die Neuverschuldung von mehr als 1,7 Milliarden auf unter 300 Millionen Euro gesenkt. 2007 und 2008 legte er erstmals seit 1996 wieder verfassungsgerechte Jahresabschlüsse vor und setzte das auch in der Haushaltsaufstellung für die Jahre 2009 und 2010 fort. Sogar der im Übrigen stets kritische Landesrechnungshof bescheinigte Wiegard, „mit den Steuereinnahmen verantwortlich umgegangen“ zu sein, weil die Senkung der Neuverschuldung noch stärker ausfiel als die Mehreinnahmen bei den Steuern.
„Die Wirtschaftskrise hat uns einen empfindlichen Strich durch die Rechnung gemacht. So dramatische Einnahmeverluste innerhalb derart kurzer Zeit – da kann man so schnell nicht gegensteuern“, stellt Wiegard fest. Allein für dieses Jahr ergebe sich nach der Mai-Steuerschätzung ein weiteres Defizit von mehr als 526 Millionen Euro, rund eine Milliarde Euro fehlt zusätzlich im
kommenden Jahr. Das Land muss seine Kreditaufnahme in diesem Jahr auf 1,1 Milliarden Euro (+491,4 Mio. €) und im nächsten Jahr auf 1,6 Milliarden Euro (+979,0 Mio. €) erhöhen.
Deshalb hat Wiegard den Entwurf für einen zweiten Nachtragshaushalt vorgelegt und zugleich weitere strukturelle Maßnahmen auf den Weg gebracht. „Die Handlungsfähigkeit unseres Landes ist
akut gefährdet. Neben einem angemessenen stetigen Wachstum ist eine nachhaltige Begrenzung der konsumtiven Ausgaben notwendig. Das kann nur durch den Abbau von Aufgaben und Per-
sonal erreicht werden“, betont der Finanzminister.
Weiter Personal reduzieren
Der Stellenbestand des Landes und der Wirtschaftsbetriebe wird bis 2020 um rund 4.800 Stellen
reduziert, mehr als 2.700 davon bis 2015. Rund 1.100 Stellen (15 Prozent) werden in den Ministerien und nachgeordneten Verwaltungsbereichen außerhalb von Polizei, Justiz, Steuern und Schulen abgebaut. In den Kernbereichen werden knapp 650 Stellen bei den Verwaltungsaufgaben der Polizei (150), der Justiz (140), der Steuerverwaltung (155) sowie u.a. durch Entlastung von
Verwaltungstätigkeiten im Schulbereich (200) abgebaut.
Im Zusammenhang mit rückläufigen Schülerzahlen werden 844 Lehrerstellen bis 2015 abgebaut,
183 vorübergehend zusätzlich geschaffene Stellen sind bereits für 2014/2015 als künftig wegfallend gekennzeichnet. Weitere 2.040 Stellen entfallen nach 2015.
Die Unterrichtsversorgung wird hierzu nicht reduziert. Im Gegenteil: Im Zuge der Entwicklung der
Schülerzahlen könnten 4.200 Lehrerstellen abgebaut werden. Der Finanzminister hatte sich jedoch
mit der Bildungsministerin darauf verständigt, 1.300 Stellen davon zur Verbesserung der Qualität des Unterrichts an den Schulen verbleiben zu lassen.
„Wir holen keinen Polizisten von der Straße und keinen Lehrer aus dem Unterricht“, betont Wiegard. Vielmehr ginge es darum, die Verwaltung zu straffen, nicht bezahlbare Bürokratie abzubauen und Aufgaben ab- oder aufzugeben. „Unsere Beamten verdienen nicht zu viel, wir haben nur zu viele Beamte. In dieser Anzahl können wir uns das nicht mehr leisten.“
Die Personalbudgets der Ressorts werden in dem Umfang der Stellenreduzierung abgesenkt. „Und wir schließen betriebsbedingte Kündigungen aus“, beruhigt Wiegard die Beschäftigten. Denn in den kommenden Jahren würden starke Berufsjahrgänge in Pension gehen.
Personalverwaltung wird zentralisiert
Über mehrere Jahre wurde darüber gestritten, jetzt wird es realisiert: Alle Personalverwaltungsaufgaben, die ressortübergreifend erledigt werden können, sollen künftig zentral beim Finanzverwaltungsamt angegliedert werden. Mit dieser und weiteren strukturellen Maßnahmen werden die Ministerien von Verwaltungstätigkeiten entlastet, so Wiegard.
Beim Finanzministerium werde darüber hinaus ein ressortübergreifendes zentrales Personalmanagement eingerichtet. Es steuert den Prozess der natürlichen Fluktuation, um den Personalbestand des Landes zu reduzieren. Wesentlicher Bestandteil des zentralen Personalmanagements ist die Bildung eines Personalpools mit eigenen personalrechtlichen
Befugnissen.
Strukturelle Entlastung auch bei den konsumtiven Ausgaben
Neben den personellen Veränderungen sollen die Ressorts bis Anfang Juli einen Katalog von Maßnahmen vorlegen, um Strukturen zu straffen, Aufgaben zu übertragen oder aufzugeben, gesetzliche und nicht gesetzliche Leistungen einzuschränken. "Hiervon ist kein Politikbereich ausgenommen", betont Wiegard. „Wem dazu nichts einfällt, der sollte sich noch einmal die zahlreichen Vorschläge von Staatssekretär Klaus Schlie und seinen Mitarbeitern ansehen. Da steckt
noch viel Musik drin.“
Angesichts der erheblichen Einnahmeausfälle bei den Kommunen sei es nötig, dass auch diese entlastet werden, um ihre Investitionskraft zu stärken. Deshalb will Wiegard eine Reduzierung von Aufgaben im kommunalen Bereich in Form von Aufgabenverzicht, Deregulierung und Umwandlung von pflichtigen Aufgaben in freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben erreichen.
Ab 2020 keine neuen Schulden mehr
„Die Einführung einer Schuldengrenze, die ab 2020 die Aufnahme von Krediten in konjunkturellen
Normallagen nicht mehr zulässt, ist eine der wichtigsten Entscheidungen“, sagt Wiegard. Der Koalitionsausschuss hatte sich darauf verständigt, dass nicht gegen die Regelung im Grundgesetz geklagt wird. Der Finanzminister will jetzt die entsprechenden landesspezifischen Regelungen zur Änderung der Landeshaushaltsordnung vorschlagen. Dazu gehört ein symmetrisch wirkender Konjunkturausgleich: In konjunkturell überdurchschnittlich guten Jahren müssen Überschüsse zum Ausgleich für konjunkturell unterdurchschnittliche Jahre gebildet werden. Im Haushaltsvollzug werden auf einem Kontrollkonto die Abweichungen der tatsächlichen Kreditaufnahme von der nach dem Konjunkturverlauf zulässigen Kreditaufnahme gebucht. Festgestellte Fehlbeträge müssen konjunkturgerecht innerhalb des Finanzplanungszeitraums ausgeglichen werden, erläutert der Finanzminister seinen Vorschlag.
In außergewöhnlichen Notsituationen und bei Naturkatastrophen soll eine Kreditaufnahme zulässig
sein, wenn diese von der Mehrheit der Mitglieder des Landtages beschlossen wird. Solche Kreditaufnahmen müssen allerdings künftig mit einem Tilgungsplan verbunden werden. „Damit betreten wir Neuland. In den vergangenen vierzig Jahren haben die Regierungen immer neue Schulden aufgehäuft. Wir wollen – trotz der angespannten Finanzsituation – den seit Regierungsantritt vollzogenen Konsolidierungskurs fortsetzen“, betont Wiegard.
Kräftig auf die Schuldenbremse treten
Um die „Schuldengrenze Null“ im Jahr 2020 zu erreichen, muss das Land kräftig auf die Bremse treten: So muss das festgestellte strukturelle Defizit jährlich um zehn Prozent des Ausgangswertes zurückgeführt werden. Nach den eigenen Berechnungen liegt das strukturelle Defizit derzeit bei rund 600 Millionen Euro. Das wird sich jedoch durch die steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung deutlich erhöhen. Denn im Zusammenhang mit den Konjunkturpaketen, dem Bürgerentlastungsgesetz und den Änderungen z. B. bei der Pendlerpauschale werden die stetigen Einnahmen erheblich sinken, was eine Erhöhung des strukturellen Defizits nach sich zieht.
Vom Bund und den anderen Ländern erhält Schleswig-Holstein Konsolidierungshilfen von 80 Millionen Euro pro Jahr, insgesamt 720 Millionen Euro bis 2020. Damit das Geld ausgezahlt werden kann, muss mit dem Bund eine Verwaltungsvereinbarung geschlossen werden, in der die konkreten Berechnungsgrundlagen zur Feststellung des strukturellen Defizits festgelegt und der Abbaupfad vorgegeben werden.
„Natürlich hinterlassen wir beim Bremsen Gummi auf der Straße. Es ist ein langer Bremsweg, diese Zeit müssen wir nutzen. Das wird eine gewaltige Kraftanstrengung für ein finanzschwaches Land wie Schleswig-Holstein“, sagt Wiegard. Deshalb solle sich niemand Hoffnung machen, dass es Geld für zusätzliche Aufgaben oder Ausgaben gebe. „Das Wachstum der Ausgaben muss deutlich unter dem Wachstum der Einnahmen bleiben“, mahnt der Finanzminister. Es kann keinen Stillstand in der Politik geben, neue Aufgaben und Herausforderungen würden kommen. Diese müssten jedoch künftig aus dem Verzicht auf bisherige Aufgaben und Ausgaben bezahlt werden.
Kredite konjunkturgerecht zurückführen
„In den Chefgesprächen wurden Beiträge der Ressorts von insgesamt rund 81 Millionen Euro erbracht; für 2009 rund 35 Millionen Euro und für 2010 knapp 46 Millionen Euro. Damit sind die zusätzlich anfallenden Zinsen und die unabweisbaren Mehrausgaben gedeckt. Für beide Jahre verbleibt eine Deckungslücke von rund 1,5 Milliarden Euro“, sagte Wiegard. Diese könne nur durch eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme beseitigt werden, um weitere negative Auswirkungen auf die Konjunktur zu vermeiden.
Allerdings müssten die zusätzlichen Kredite vorzeitig konjunkturgerechnet zurückgeführt werden. Von 2010 an werden deshalb die über dem langfristigen Durchschnitt liegenden Einnahmen zur vorzeitigen Tilgung der konjunkturell bedingten Neuverschuldung verwendet. „Wir müssen den Anstieg der Zinslast begrenzen“, unterstreicht Wiegard diese bisher ungewöhnliche Maßnahme.
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